Als Kenner des Menschenherzens greift Walther mit glücklicher Hand aus dem Leben das ewig Menschliche heraus und
stellt dar, was er wirklich fühlt und empfindet. So in dem Gedicht:
So die bluomen uz dem grase dringent,
same si lachen gegen der spilden sunnen,
in einem meien an dem morgen fruo,
und diu kleinen vogellin wol singent,
in ir besten wise die si kunnen,
waz wünne mac sich da genozen zuo?
ez ist wol halp ein himelriche.
suln wir sprechen waz sich deme geliche,
so sage ich waz mir dicke baz
in minen ougen hat getan,
und taete ouch noch, gesaehe ich daz.
Swa ein edeliu frouwe schoene reine,
wol gekleidet unde wol gebunden,
dur kurzewile zuo vil liuten gat,
hovelichen hohgemuot, niht eine,
umbe sehende ein wenic under stunden,
alsam der sunne gegen den sternen stat, -
der meie bringe uns al sin wunder,
waz ist da so wünnecliches under,
als ir vil minneclicher lip?
wir lazen alle bluomen stan,
und kapfen an daz werde wip.
Oder in dem Gedicht von dem Wesen der Minne:
Obe ich rechte raten künne
waz diu minne si, so sprechet denne ja.
minne ist zweier herzen wünne:
teilent sie geliche, sost diu minne da:
sol abe ungeteilet sin,
so enkans ein herze alleine nicht enthalten.
Die reizendsten Lieder hat seine Liebe zu einem Mädchen
niederen Standes geschaffen. Schon hatte er an der Gegenliebe verzweifelt, da
ist ihm ein Trost oder „vil kume ein troestelin“ gekommen.
Mich hat ein halm gemachet fro:
er giht, ich sül genade vinden.
ich maz daz selbe kleine stro,
als ich hie vor gesach von kinden.
nu hoeret unde merket ob siz denne tuo.
`si tuot, si entuot, si tuot, si entuot, si tuot`.
swie dicke ich also maz, so was ie `z ende guot.
Ihr verdanken wir auch die liebliche Schilderung der Geliebten, die dem Dichter einen Kranz aufgesetzt hat:
Si nam daz ich ir bot,
einem kinde vil gelich daz ere hat.
ir wangen wurden rot,
same diu rose, da si bi der liljen stat.
do erschampten sich ir liehten ougen:
doch neic si mir vil schone.
daz wart mir ze lone:
wirt mirs iht mer, daz trage ich tougen
mit dem schalkhaften Schluß:
seht, do muost ich von fröiden lachen.
do ich so wünnecliche
was in troume riche,
do tagete ez und muose ich wachen.
und die Krone seiner Poesie:
Under der linden
an der heide,
da unser zweier bette was,
da muget ir vinden
schone beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schone sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
do was min friedel komen e.
da wart ich enpfangen
here frouwe,
daz ich bin saelic iemer me.
kuster mich? wol tusentstunt:
tandaradei,
seht wie rot mir ist der munt.
Do het er gemachet
also riche
von bluomen eine bettestat,
des wirt noch gelachet
innecliche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bi den rosen er wol mac,
tandaradei,
merken wa mirz houbet lac.
Daz er bi mir laege,
wessez iemen
(nu enwelle got!) so schamt ich mich.
wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz wan er unt ich,
und ein kleinez vogellin:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sin.
Hier ist alles Leben und Bewegung, Tätigkeit und Handlung,
wahre Empfindung und wahres Gefühl, hier einen sich Natur und Liebe. Und über die
bedenkliche Situation ergießt sich ein köstlicher Humor, den Goethe „eines der
Elemente des Genies“ nennt.
Nach Quelle: Die deutsche Dichtung. Grundriß der deutschen Literaturgeschichte von Karl Heinemann, Alfred Kröner Verlag Leipzig 1911.
Nach Quelle: Die deutsche Dichtung. Grundriß der deutschen Literaturgeschichte von Karl Heinemann, Alfred Kröner Verlag Leipzig 1911.