Unveränderter Originaltext aus der Zeitschrift:
Das Ausland.
Eine Wochenschrift für Kunde des geistigen und
sittlichen Lebens der Völker.
Nr. 2, 13. Januar 1854, S. 25
Autor: N.N.
Nr. 2, 13. Januar 1854, S. 25
Autor: N.N.
Die Hauptstadt der Republik Costa Rica ist noch von keinem
Reisebeschreiber geschildert worden. Mit Ausnahme einiger Notizen Felipe
Molinas in seinem „Bosquejo de Costa Rica“ und einiger flüchtiger Bemerkungen
in dem gedruckten Tagebuch des Hrn. Lammich, Exschulmeister von Kreisewitz, bei
Leobschütz, fand ich in den verschiedenen Reisebüchern, die über Central-Amerika
erschienen sind, von San Jose kaum mehr, als die Erwähnung des Namens. Hr.
Lammich schildert recht liebenswürdig-naiv die Menschen, mit denen er hier zu
thun hatte, vor allem aber sich selbst, seine eigenen Schicksale und
Erlebnisse. Die Gabe klarer Anschauung und plastischer Darstellung ist ihm
nicht gegeben. Er versetzt die Hauptstadt in einen Gebirgskessel und schließt
sie mit hohen Bergen ein, während San Jose in einem freien, weiten Plateau
gelegen, welches durchschnittlich über 5 Leguas breit und über 10 Leguas lang
ist, eines der ausgedehntesten Hochthäler im Tafellande der Andes von
Mittel-Amerika.
Dieses Plateau oder Hochthal enthält wieder viele Erhebungen
und Senkungen, Hügel, Thäler und Schluchten, welche durch die
verschiedenen Flüsse abgesetzt und
gegraben werden. San Jose steht auf einer solchen Anhöhe, deren Fuß rings umher
der Thalgrund des Rio Torres und des Rio Maria-Aquilar umsäumt. Diese zwei
Flüßchen versehen die Bevölkerung mit Trinkwasser in der trockenen Jahreszeit,
und ergießen sich in den Rio Grande de Costa-Rica, der durch wilde
Thalschluchten und einsame Urwälder brausend seine Wasser nach dem stillen
Ocean sendet.
Die Straßen San Jose`s erheben und senken sich auf diesem
abschüssigen Boden, sind übrigens nach einem regelmäßigen Plane in geraden
Richtungen angelegt und durchschneiden sich rechtwinklig. Das Plaster, aus den
kleinen Rollsteinen der Flüsse bestehend, läßt viel zu wünschen übrig.
Nur wenige Häuser haben ein oberes Stockwerk, aber die
meisten besitzen sogenannte Veranda`s, d. h. bedeckte Galerien, die nach der
Straße oder nach dem Hofe gerichtet sind. Das gewöhnliche Material des
Häuserbaues ist getrockneter Lehm mit dürren Pflanzenstengeln gemischt und
durch quer gezogenes Rohr, dessen Enden an die Tragbalken des Daches genagelt
sind, befestigt. Man behauptet, daß solche Lehmwände bei einiger Elasticität
weniger Gefahr laufen, durch Erderschütterungen umgeworfen zu werden. Die
Dächer sind mit plumpen und schweren Hohlziegeln zum Schutze gegen die starken
Regengüsse bedeckt. Leichte, flache Ziegel, oder Blechdächer, welche sich für
ein Land, das mit allen übrigen Republiken Central-Amerika`s häufigen Erdbeben
ausgesetzt ist, ungleich besser eignen würden, sind hier nicht gekannt.
Viele Häuser entbehren der Glasfenster, viele Stuben
empfangen ihr Licht nur durch die geöffnete Thüre. Die meisten Zimmer haben nur
Steinpflaster, in sehr wenigen Häusern findet man gedielte Fußböden. Keinem
Hause fehlt der innere Hof, der oft mit Blumen, Mais und Pisangs bepflanzt oder
mit wildwachsenden Büschen und Bäumen bedeckt ist.
Die innere Einrichtung der Häuser ist selbst bei den
Wohlhabendsten überaus einfach. Ein Tisch, und mitunter eine alte Kommode, eine
lange Holzbank oder ein Duzend Stühle den Wänden entlang, durch die ganze Länge
des Zimmers aber die selten fehlende, buntleinene oder gestrickte Hängematte,
die an beiden Enden mit zusammenlaufenden Schnüren und zwei Stricken an die
Decke befestigt ist. Die Hängematte vertritt das kostspieligere Sopha, und ist
dem Besitzer hier, wo man so gut wie in Neapel und im Orient das dolce far
niente liebt, ein behaglicheres Meubel, als Diwan oder Schaukelstuhl. Ein
Spiegel, ein Crucifix und einige Heiligenbilder an den geweißten Wänden
vollenden den magern Schmuck des armseligen Empfangzimmers. Die Reichen sind
natürlich etwas besser eingerichtet. Die Wände ihrer Salons sind gewöhnlich mit
bunten , geschmacklosen Tapeten überkleistert. Mitunter haben sie
aufgepolsterte Stühle und neben der Hängematte noch ein Sopha. Aber selbst in
den Häusern der ersten Staatsbeamten und der begütertsten Kaufleute, ja sogar
bei dem Präsidenten der Republik und seinem Bruder, dem General der Armee, der
die ergiebigsten Goldminen am Aguacate und sehr einträgliche Kaffeehaciendas
besitzt, herrscht keine luxuriöse Einrichtung nach europäischem Begriffe, noch
weniger aber jenes Comfort, dessen Geheimniß der Engländer und der Yankee am
besten versteht, und das nach dem Geständniß des Senators Michel Chevalier
unentbehrlich zu einem „ruhig behaglichen Lebensgenusse“ ist. Eben so vermißt
man hier die holländische Reinlichkeit. Der Boden wird nicht häufig gefegt, die
Fenster werden noch seltener gewaschen. Nichts einfacheres als das
Arbeitszimmer des Herrn Don Juan Mora, Kaffeehändlers und Präsidenten der Republik.
Dr. Castro, der frühere Präsident der Republik, den eine Militäremeute stürzte,
hat den am schönsten ausgestatteten Salon von San Jose. Aber auch hier vermißt
man Comfort und wirklichen Geschmack.
Unter den öffentlichen Gebäuden existirt nicht Eines, das
dem Europäer durch Schönheit oder Größe auffällt. Das Regierungsgebäude, die
Caserne mit der hölzernen Galerie und hohen Fahnenstange, die Universität, das
Theater, all das sind ganz unansehnliche Bauwerke, welche selbst als
Privathäuser in jeder europäischen Hauptstadt für klein und armselig gelten
würden. Der neue Nationalpalast, zu welchem ein ehemaliger preußischer
Feldmesser den Plan entworfen, und der jetzt unter der Leitung des deutschen
Architekten Kurze fortgebaut wird, verspricht etwas mehr. Statt des
gewöhnlichen getrockneten Lehmkoths ist das Baumaterial ein hellgrauer erdiger
Trachyt voll von Feldspath- und Augitkrystallen, der auch leicht zu bearbeiten
ist. Bei dem Bau, der in Ermangelung tüchtiger Maurer und Zimmerleute nur sehr
langsam vorwärts schreitet, sind meist Sträflinge in Ketten beschäftigt, die
sich aber nach der allgemein herrschenden Sitte der Indolenz und Schonung so
wenig als die freien Mitarbeiter anstrengen. In diesem Nationalpalaste sollen
sich künftig sowohl die Gerichtshöfe als der Congreß, der gegenwärtig in einem
elenden Locale tagt, versammeln.
Selbst die Kirchen von San Jose sind kleiner und armseliger,
als wir sie bis jetzt in irgend einem andern katholischen Lande gefunden. Die
Kirchen del Carmen und de la Merced sind keiner Beschreibung werth. Die
Kathedrale hat nur die günstige Lage an der Ostseite des großen, freien
Hauptplatzes auf dem höchsten Punkte der Stadt für sich, ist übrigens ein ganz
unbedeutendes Gebäude. Ein bestimmter architektonischer Styl ist aus demselben
kaum herauszufinden. Die mauerförmige Façade mit gewundenen Pilastern ist etwa 60`
hoch und weiß angestrichen; das Innere ist roh buntscheckig ausgeschmückt. Die
Kanzel ist mit Heiligenbildern bemalt, deren Meister noch bei den Chinesen mit
Nutzen die Malerkunst studiren könnten. Der Hauptaltar wie die Seitenaltäre
sind nur mit schlechtvergoldetem Schnitzwerk und einigen Heiligenbildern
verziert, ermangeln übrigens ganz jener reichen, oft geschmackvollen
Ornamentirungen, welche sonst die Altäre katholischer Kirchen in andern
Ländern, z. B. in Canada, tragen. Die armseligsten Figuren aber machen die
magern, mit schlechten Oelfarben beschmierten Holzsäulen, welche in vier Reihen
das Schiff der Kirche stützen. Ueberhaupt trägt in dieser Kirche alles das
Gepräge der Nachlässigkeit und der Ersparung. Nicht einmal Stühle sind
angebracht, mit Ausnahme des für den Bischof bestimmten Sammetlehnstuhles vor
dem Hochaltar. Der Präsident der Republik, die Minister und ihr Gefolge nehmen
bei großen, kirchlichen Feierlichkeiten auf einer Holzbank Platz, alle übrigen
Andächtigen müssen auf dem Steinpflaster knien. Am Eingang steht an einer
bemalten Holzwand die Aufschrift: Esta es casa de dios, casa de oracion, no de
vanitades (dieß ist ein Haus Gottes, ein Haus des Gebets, nicht der Eitelkeit).
Die beiden Thürme, die früher die Façade der Kathedrale schmückten, wurden wegen
Baufälligkeit abgetragen, da man ihren Einsturz bei dem ersten starken Erdbeben
befürchtete. Das verheerende Erdbeben vom 2 Sept. 1842, welches Carthago, die
alte Hauptstadt des Landes, mit ihrer Kathedrale in Schutt verwandelte, machte
auch die San Josefiner noch ängstlicher und vorsichtiger, als es sonst in ihrer
Natur liegt. An der Stelle jener Steinthürme wurde ein, vom Kirchengebäude
getrenntes hölzernes Glockenthürmchen errichtet, welches wohl so lange
functioniren wird, als die Erdbebenfurcht dauert, und die Kirche sein übriges
Geld gefunden, ein paar neue solidere Steinthürme zum übrigen Schmuck der
Kathedrale zu bauen.
Der
Mangel an Thürmen wie an hervorragenden Bauwerken überhaupt trägt nicht wenig
dazu bei, der Hauptstadt Costa Rica`s einen recht bescheidenen Anblick zu
verleihen. Sie sieht durch diesen Mangel sogar noch kleinlicher und armseliger
aus, als sie wirklich ist. Auch in diesem Punkte zeigt sich recht auffallend
der Contrast gegen Nordamerika, wo stattliche Kirchthürme die frühe Existenz
jeder aufschießenden Stadt der Wildniß bezeichnen und gleichsam mit zu ihrer
Geburtsgeschichte gehören. Städtchen, welche eigentlich noch in den Windeln
liegen, kündigen sich dort schon in weiter Ferne durch einige gothische
Thurmspitzen oder durch das stolze, hochaufragende Schiff irgend einer neuen
methodistischen, presbyterianischen oder katholischen Kirche an. In
Unter-Canada haben selbst die kleinsten Dörfer stattlichere Kirchenbauten als
diese Hauptstadt einer centralamerikanischen Republik, die durch das fabelhafte
Aufblühen ihres Kaffee-Exports jetzt schon fast berühmt geworden. Selbst im
türkischen Orient, wo doch alles Ruin und Verfall ist, wetteifern die kleinen,
halbverödeten Schmutzstädte durch Zahl und Schönheit ihrer vielen schlanken
Thurmbauten, mit denen sie sich dem Reisenden schon von weitem so stolz und
stattlich ankündigen.
In
Central-Amerika haben die Städte nicht die Prätensionen oder die Vorliebe der
Orientalen für das Malerische. In Costa Rica wirken Erdbebenfurcht, geringer
Einfluß der Geistlichkeit, Armuth der niedern, andächtigen Volksclasse und der
religiöse Indifferentismus der Reichen gleichmäßig gegen die Richtung solcher
überflüssigen und kostspieligen Zierden. San Jose ist bereits über 70 Jahre
alt, und hat noch keinen Thurm, der über die grünen Riesenblätter des Pisangs
hervorragt. Milwaukee und Wisconsin steht erst seit 15 Jahren auf einer Stelle,
die vordem Sumpf gewesen, und es ist jetzt schon eine thurmreiche Stadt, deren
byzantinische Kuppeln und durchbrochene gothische Türme stolz über die übrige
Häusermasse aufragen und mit den ehernen Stimmen ihrer Glocken den über dem
großen Spiegel des Michigan Sees hingleitenden Schiffen schon von weitem
verkündigen, was der Reichthum, die Rührigkeit und die Andacht eines
jugendlichen Volks vermögen.
In
Costa Rica erscheint im Gegensatze alles noch anspruchsloser, armseliger, als
es in der That ist. Wer San Jose von der Ferne erblickt, wo nur wenige Häuser
durch die grüne, spanische Wand der Haciendas schimmern, hält diese Hauptstadt
für noch unbedeutender und kleiner als sie wirklich ist. Wer die Häuser von
außen betrachtet, würde ihrer innern Einrichtung noch weniger Luxus zutrauen,
als sie wirklich enthalten. Wer die Zimmerausstattung, die Meubles und die
Lebensweise der Bewohner sieht, würde letztern noch weniger Vermögen zutrauen,
als sie in der That besitzen.
Die
Bevölkerung der Hauptstadt Costa Rica`s beläuft sich auf etwa 15 bis 16,000
Seelen. Diese Zahl ist das Mittel verschiedener Angaben, die uns gemacht worden
sind. Genaue statistische Nachweisungen existiren in diesem Staate nicht, und
selbst der Finanzminister, Don Emanuel Carazo, wußte uns nichts Bestimmtes
darüber zu sagen. Die Abfassung genauer statistischer Tabellen hat ihre
besondern Schwierigkeiten in einem dünn bevölkerten und noch wenig organisirten
Lande, wo keine Personalsteuer erhoben wird und bei jedem Zählungsversuche die
Familienmitglieder von gereifteren Jahren sich zu verbergen trachten, aus
Furcht in die Miliz eingereiht zu werden. Der dem Congreß im Jahre 1849
vorgelegte Census gibt die Bevölkerung des ganzen Departements von San Jose,
nämlich der Hauptstadt mit Inbegriff aller umgebenden Haciendas und der vier
Dörfer Union, Pacaca, Escazu und Aserri auf 31,149 an.
Am
Sonnabende, dem wöchentlichen Markttage, strömt diese Landbevölkerung der
nächsten Umgebung in Masse nach der Stadt. Man hat da eine günstige Gelegenheit
die Physiognomie des Volks von Costa Rica überhaupt zu studiren. Denn auch von
den entfernten Städten und Gegenden von Carthago, Alajuela, Barba und Heredia
strömen Hunderte von Käufern und Verkäufern hieher, um ihre Producte gegen Geld
umzusetzen, oder sich mit neuen Vorräthen zu versehen.
Der
große „Platz“ der ein ziemlich regelmäßiges Viereck bildet und über 10,000
Menschen faßt, ist außer den Marktagen nur bei religiösen Festlichkeiten oder
militärischen Uebungen belebt. Jeden Sonnabend ist hier schon von 7 Uhr Morgens
an viel Leben. Je besser die Wege und je geringer der Regen, desto größer die
Zahl der Marktbesucher, die sich in den trockenen Sommermonaten auf 7 bis 8000
belaufen soll, während die Umsatzsumme jedes Markttages auf circa 14,000
Piaster geschätzt wird.
Ueberblickt
man das ganze Schauspiel des Marktes von den hohen Stufen der Kathedrale, so
kann man ihm einen ziemlich malerischen Charakter nicht absprechen, obwohl die
Tracht des Landvolks etwas einförmig ist. Das weibliche Marktpublicum ist
wenigstens um ein Fünftel zahlreicher als das männliche und natürlich viel
hübscher. Schöne Männer sind unter dem Landvolk Costa Rica`s eine große
Seltenheit, hübsche Landmädchen sieht man dagegen ziemlich viele. Der
Menschenschlag ist hier reiner spanisch geblieben, als in irgend einem andern
Staate Central-Amerika`s. Dennoch ist auch hier die indianische Blutmischung
auf sehr vielen Gesichtern bemerkbar, und man kann wohl im Durchschnitt
annehmen, daß unter dem Landvolk wenigstens der fünfte Mensch gewisse Spuren
der Racenmischung in seiner Physiognomie trägt, während unter den Städtern das
Verhältniß mehr zu Gunsten der unvermischten Race ist.
Die
Männer sind im Allgemeinen von gewöhnlicher Größe und ziemlich wohl gebaut,
aber von schlaffer, nachlässiger Haltung mit gebräuntem Teint, fast ohne
Ausnahme schwarzhaarig, gewöhnliche Stirne, schwarze Augen, unschöne breite
Nasen, die wie die häufig hervorstehenden Backenknochen bei der geringsten
Racenmischung die eigenthümliche indianische Form verrathen. Oft sieht man auch
sehr häßliche, stark gebräunte, auffallende Zigeunergesichter. Stroh- oder
Palmhüte mit schmalen Rändern sind die gebräuchliche Kopfbedeckung. Ueber den
Hemden an kühlen oder regnerischen Tagen eine gestreifte Decke als Ueberwurf,
Beinkleider von gestreiftem Zwillich oder Baumwollzeug, keine Schuhe. Ueber
neun Zehntheile der Bevölkerung Costa Rica`s sind Barfüßer, die aus Sparsamkeit
oder Bequemlichkeit der Schuhe wenigstens an den Wochentagen entbehren. Selbst
die Kinder wohlhabender Kaufleute der Stadt laufen gewöhnlich bis zum zehnten
Jahre barfuß. Die Aristokratie San Jose`s, d. h. die reichen Plantagenbesitzer
und Händler, kleiden sich nach französischem Schnitt, lieben das knapp
Anstehende und halten besonders auf elegante Kopfbedeckung, welche aus Pariser
Seidenhüten oder sehr feinen aus Palmblättern geflochtenen Panamahüten mit
schmalen Rändern besteht.
Die
Weiber tragen sehr kleine Stroh- oder Palmhüte von derselben Form wie die
Männer. Nur leicht bedecken sie damit den obersten Theil der schönen Haare. Um
den Hals sind Ketten von Glasperlen oder Metallgeschmeide mit Kreuzchen und
Heiligenbildern oft zwei- und dreifach geschlungen. Ohrringe sind nicht im
Brauche, desto mehr aber Fingerringe. Das Kleid von geblümtem Kattun, unter
welchem der nackte Fuß hervorlauscht, reicht nach oben nur bis an die Hüfte.
Den obern Theil des Körpers bis zum Nacken deckt nur ein leichtes, weißes Hemd,
aus dem der Busen gewöhnlich bis über die Hälfte sichtbar ist. Wenn sie
ausgehen, schlagen sie den bunten Riposo, ein langes Umschlagtuch, auf dessen
Schönheit und Neuheit viel gehalten wird, über den Nacken. Die meisten Mädchen
und jüngern Frauen haben volle, lange, dunkelschwarze Haare, die sie sauber
ordnen und in zierlich geflochtenen Zöpfen tragen.
Zuweilen
haben diese Haare einen seidenartigen Glanz und sind dann von ungemeiner
Schönheit. Die Stirne ist regelmäßig und meist schön, die Nase dagegen ist
selten hübsch geformt, meist zu breit. Die edle griechische Nasenform, welche
sonst unter den Frauen Castiliens und Andalusiens nicht eben selten vorkommt,
ist hier nicht zu sehen. Der Mund ist fein geschnitten und die Zähne sind meist
gut geformt, oft weiß wie Elfenbein.
Fast
alle Frauen Costa Rica`s haben brünette Gesichtsfarbe. Je nach der
Racenmischung und nach der Lebensweise ist der bräunliche Teint mehr oder
minder dunkel schattirt. Weiße Hautfarbe und frischrosige Wangen gehören hier
zu den seltensten Beigaben der Schönheit. Die Städterinnen des höhern Standes
sind im Allgemeinen weniger hübsch als die jüngern Frauen und Mädchen der
Landschaft, conserviren sich aber dafür länger, da sie sich der Sonne und Nässe
nicht aussetzen, gesündere Wohnungen haben und bessere Kost genießen. Ich sah
in San Jose mitunter Frauen von 30 bis 40 Jahren die noch sehr jugendlich
aussahen, während die Bäuerinnen in denselben Jahren bereits verwelken und im
höhern Alter sehr dunkelbraun und häßlich werden.
Am
Tage des Wochenmarktes herrscht schon von 7 Uhr Morgens an viel Leben auf dem
Marktplatz, und die herumziehenden Ellenwaaren- und Quincaillerie-Händler
(Trucheros) sind in der Regel am frühesten anwesend. Erstere halten ihre mit
Segeltuch überspannten Buden am westlichen Ende des „Platzes“, letztere an der
Ostseite nächst der Kathedrale. Die hier gangbarsten Waaren sind Kleiderstoffe,
geblümte und gestreifte Kattune, bunte lange Shawls, baumwollene und seidene
Halstücher u. s. w. Sämmtliche Artikel von wohlfeiler Sorte. Erzeugnisse von
einheimischer Industrie sieht man in diesen Buden nicht. Vor etwa 16 Jahren
noch, ehe der Kaffee als Tauschartikel nach England ging, war unter den
Landleuten so wenig Geld, daß sie nur in selbstgewebte Stoffe sich kleiden
konnten. Der Taglohn ist seitdem um das dreifache gestiegen, während die
Einfuhr der wohlfeilen englischen Zeuge die Anfänge einer einheimischen
Industrie erstickte. Von andern Staaten Mittel- und Südamerika`s liefert
Guatemala die gestreiften Ueberwürfe für die Männer, Chili die langhaarigen
Satteldecken von verschiedenen Farben.
In
den Buden an der Ostseite sieht man besonders viele Glas- und Steingutwaaren,
sowohl englische als deutsche Fabricate, alles von der ordinärsten Sorte.
Messer, Scheeren, eiserne Küchengeräthe sowie die langen Machetes sind
englische Fabricate. Die Machetes, welche in England lediglich für den Gebrauch
dieser Länder geschmiedet werden, sind säbelartige Messer, anderthalb Zoll
breit und 1 bis 2 Fuß lang, an der Spitze etwas gekrümmt mit hornenem Griff in
lederner Scheide. Sie dienen den Eingebornen zu allen möglichen Verrichtungen;
der Krämer schneidet damit seinen Käs, der Fleischer schlachtet damit sein
Vieh, die Waldboten nach dem Sarapiqui hauen sich damit den Weg durch Büsche
und Lianen. Auch als Schutzwaffen gegen Menschen und wilde Thiere leisten die
Machetes gute Dienste; man bezahlt sie mit 2 bis 6 Piastern. Einheimische
Fabricate sind die plumpen Albardes, d. h. mit Ochsenhäuten bezogene Sättel
nebst Geschirre, Lederzeug und den üblichen Quersäcken (Alforjas).
Strohgeflechte zu Decken, Palmenhüte, Rosenkränze, geflochtene Hängematten und
rohe Guitarren werden zum Theil von den seßhaften halbcivilisirten Indianern
des Landes verfertigt. Die Hüte bilden einen der Hauptartikel des Wochenmarktes
und bedecken einen großen Theil der Bodenfläche des „Platzes“. Man findet sie
von sehr verschiedener Feinheit und Güte im Preise von 2 Realen bis 4 Piaster.
Die feinsten Palmenhüte, welche von Ecuador, Peru und Panama kommen, kosten bis
30 Piaster.
Die
meisten Quincailleriewaaren auf dem Markt San Jose`s sind englischen Ursprungs.
Deutschland liefert dazu nur Spielwaaren, Glaaswaaren der ordinärsten Sorten,
gemalte Heiligenbilder, Bremer Seife, kölnisches Wasser u. s. w.
Reis
und Cacao werden in offenen Säcken verkauft, ersterer in kleineren Maaßen,
letzterer nach der Zahl. Die Cacaobohnen, die zugleich als Scheidemünze zum Verkehr
dienen – Kupfermünzen existiren nicht, und die kleinste Silbermünze des Landes
ist ein halber Real – kommen zum großen Theil aus Guayaquil im Staate Ecuador.
Feiner und aromatischer ist der Landescacao aus den Ebenen von Matina an der
Ostseite der Cordilleras, der einzigen Gegend des Landes, wo die Cacaocultur in
Blüthe ist, obwohl der Baum hier allenthalben in den heißen Regionen nach
beiden Oceanen gedeiht. Der Cacao ist hier ein Lieblingsgetränke der
wohlhabendern Stände, und wird dem Kaffee vorgezogen. Unraffinirter, brauner
Zucker, das sogenannte Dulce, kommt in plumpen lohkäsförmigen Scheiben von 1 ½
Pfund Schwere zahlreich auf den Markt.
Früchte
und Gemüsesorten, Hühner und Eier, Butter und Käse werden meist von Weibern
feilgeboten, die auf dem Boden kauern mit Papiercigarren, leichte Wölkchen aus
dem Munde blasend; die schönen und fremdartigen Südfrüchte, welche um
Spottpreise zu haben sind, erregen die Verwunderung und den Appetit der neuen
Ankömmlinge aus dem Norden. Bananenfrüchte oder Paradiesfeigen in Riesentrauben
bis 15 Pfund schwer von verschiedenster Größe und Güte sind hier vorherrschend.
Roh gegessen sind sie ein angenehmes Obst, gekocht ein vortreffliches,
wohlschmeckendes, gesundes Gemüse. Man kauft davon in der trockenen Jahreszeit so
viel für 1 Real, daß man Mühe hat die Früchte zu tragen, und sie wären im
Nothfalle hinreichend eine kleine Familie zu ernähren. Die Orangen sind hier
sehr wohlschmeckend, größer, süßer und saftiger als die portugiesischen, dauern
wie die Citronen das ganze Jahr hindurch, und man kauft deren zwei Duzend für
einen halben Realen. Ananas sind in der Umgebung von San Jose bei weitem
weniger und nicht so wohlschmeckend, als in den tiefern Regionen, und werden im
Vergleiche mit andern Früchten viel theurer bezahlt. Doch kauft man die
schönste Ananas für einen halben Real. Die köstlichste Frucht des Landes und
zugleich häufig und billig ist die Anone, etwas größer als die Pomeranze von
der Form der Pinienzapfen mit mattgrüner dachziegelförmig geschuppter Schale.
Das Fleisch der Anone ist weiß, voll hellbrauner länglicher Körner, sehr
aromatisch von überaus lieblichem, erdbeerartigem, pikantem Geschmack. Die
Grenadillos sind den südeuropäischen Granatäpfeln ähnlich, nur etwas kleiner
und von feinem Geschmack. Kokoten werden zumeist nur als Eingemachtes gegessen.
Sonst sind noch einige Palmfrüchte und die sogenannten Aguacates häufig auf dem
Markt und Lieblingsfrüchte der Eingebornen. Unter allen tropischen Obstsorten
die ich versuchte, haben die Aguacates den eigenthümlichsten Geschmack, sie
sind nicht süß, aber überaus zart, fein und gleichen der vegetabilischen
Butter.
Unsere
beliebtesten europäischen Gemüsesorten fehlen dem Markt von San Jose. Man hat
mit ihrer Anpflanzung verschiedene Versuche gemacht, die zum Theil mißglückten,
was wohl in der Unkenntniß der Behandlung und in der Eigenthümlichkeit der
tropischen Jahreszeiten seinen Grund hatte. Einige Sorten von Blumenkohl und
Kohlrüben kommen wahrscheinlich gut fort, und würden sich gewiß auf dem Markt
gut verkaufen lassen. Kartoffeln sind hier nicht sehr beliebt und erscheinen
nur in geringer Zahl auf dem Markte und den Umgebungen von Carthago. Man
bezahlt die Cajuela (Fünf Cajuelas sind gleich einem preußischen Metzen) mit
zwei einem halben Realen, Mais mit 4, Bohnen mit 5 Realen. Die schlechte
Landesbutter kostet 3 bis 4, der Käse anderthalb Realen per Pfund, ein junges
Huhn 1 bis 1 ½ Realen, 1 Duzend Eier 1 Real. Die Preise der meisten
Agriculturgegenstände sind der größern Fruchtbarkeit des Landes und des geringern
Taglohns ungeachtet höher als in den westlichen Staaten Nordamerika`s, zum
Theil selbst höher als in den Neuengland-Staaten.
Der
Marktbesuch ist eine Gewohnheit und zugleich eine Zerstreuung für die meisten
Costaricaner. Die Bauern, die sonst in Bezug auf Trank und Speise äußerst
einfach und enthaltsam leben, versuchen an solchen Tagen doch ein Gläschen
Gebranntes. Schnaps- und Liqueurschenken sind an den Sonnabenden voll von
Besuchern, und selbst das Bier der deutschen Kneipe, ein hier noch sehr neumodisches
Getränk, fängt an zu ziehen. Auf dem Markt selbst werden viele Näschereien und
Erfrischungen verkauft; grobgebackenes Zuckerbrod in vielerlei Formen,
Rosensyrup, gezuckertes Reiswasser und ein anderes Lieblingsgetränke des
Volkes, welches aus dem Saft des Zuckerrohrs gewonnen wird.
Gegen
11 Uhr Vormittags erreicht das Marktgetümmel seinen Höhepunkt. Um die
Mittagsstunde treten viele plumpe Ochsenwagen und Maulthiertreiber bereits
ihren Rückzug an, besonders in der Regenzeit, wo sie die Gewitter und die
starken Platzregen fürchten, welche in der Regel gegen 2 Uhr Nachmittags
beginnen. Sobald die gethürmte Haufenwolke sich am nördlichen Horizont zur
Regenwolke gestaltet und der erste ferne Donner erdröhnt, brechen die Trucheros
ihre Buden mit ihren Leinwanddächern ab. Wenn um 3 Uhr Nachmittags die hellen
Blitze über das Thal hinzucken und der Regen in Strömen stürzt, ist der ganze
Marktplatz wie verödet.